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Deep Dive (2) Produktivitätsparadoxon der IT

Deep Dive (2) Produktivitätsparadoxon der IT

11. Februar 2022Tags: Keine Kommentare

In unserer neuen Serie Deep Dive beleuchten wir intensiv Themen & Trends rund um die IT-Branche. Dafür recherchieren wir aktuelle Themen aus der Wissenschaft & Arbeitswelt, schauen aber auch mal zurück und finden dabei spannende, kuriose Stories aus der Vergangenheit.

Im ersten Deep Dive dreht sich alles um das Produktivitätsparadoxon der Informationstechnologie – kurz IT. Was es mit dem Paradoxon eigentlich auf sich hat, haben wir im ersten Teil geklärt. Im zweiten Part wollen wir der Frage nachgehen, welche Auswirkungen es auf uns hat – und ob es überhaupt etwas verändert. Dafür schauen wir uns das Zusammenspiel zwischen dem Paradoxon, demographischen Wandel und Fachkräftemangel an.

Die Auswirkungen des Paradoxons auf  Wirtschaft & Arbeitswelt

Würde das Phänomen der abnehmenden (Arbeits-) Produktivität auf ein unverändertes Beschäftigungslevel treffen, wären die Auswirkungen wahrscheinlich überschaubar:

  • Genügend Humankapital, um die verschiedensten Sektoren zu bedienen: Von „Forschung & Entwicklung“, wo die Innovationskraft eines Landes liegt, bis hin zum arbeitsintensiven Dienstleistungssektor
  • Auffangen der stagnierenden/ fallenden Produktivitätsrate durch eine gleichbleibende Zahl an Beschäftigten & nachrückenden Arbeitskräften

Der Einfluss des demographischen Wandels

Die Idee eines gleichbleibenden Beschäftigungslevels erscheint optimal, spiegelt jedoch nicht die Realität wieder. Besonders Industriestaaten haben mit dem Strukturwandel ihrer Bevölkerung zu kämpfen. Darunter versteht man, dass die Sterberaten eines Landes die Geburtsrate übersteigt, die Bevölkerung im Durchschnitt älter wird – und somit schrumpft. Besonders Deutschland weist eine niedrige Geburtenrate auf und liegt trotz eines Anstiegs auf 1,5 Kindern je Frau weiterhin unter dem europäischen Durchschnitt. Trotz der Zuwanderung in den letzten Jahren wird die zukünftige Bevölkerung deutlich älter sein: Prognosen gehen davon aus, dass bereits 2060 jeder Dritte mindestens 65 Jahre alt sein wird. Konkret auf den Arbeitsmarkt bezogen bedeutet es, dass für pensionierte Arbeitnehmer zu wenige Arbeitnehmer:innen nachrücken.

Neben der strukturellen Perspektive gibt es noch eine andere, elementare Ebene: Junge Menschen sind technischen Neuerungen aufgeschlossener und adaptieren diese schneller als ältere Menschen. Mit steigendem Alter wächst die Lebenserfahrung, jedoch nimmt im gleichen Zuge die Risikobereitschaft & Innovationskraft ab. So legen im Durchschnitt jüngere Bevölkerungen (bspw. Indien) ein weitaus schnelleres Tempo vor, was Innovationskraft, aber auch Wachstumsraten und die Produktivitätsentwicklung angeht.

Der daraus resultierende Fachkräftemangel

War of Talents in der IT, fehlendes Pflegepersonal bis hin zum stetigen Mangel an Nachwuchs in handwerklichen Berufen. Der Fachkräftemangel ist in allen Sektoren anzutreffen und wird als direkte Auswirkung des demographischen Wandels gesehen. Das Ringen nach Fachkräften bezieht sich auf die Suche nach bestimmten Fähigkeiten, die in unserer heutigen Welt Relevanz besitzen. Dazu zählen unter anderem:

  • Ingenieurberufe
  • Automatisierungstechnik
  • Sämtliche Berufe im Bausektor (Innenausbau sowie Hoch- und Tiefbau)
  • Softwareentwicklung
  • IT-Systemanalyse & Anwendung
  • Sämtliche Berufe im medizinischen Bereich
  • Verkehrswesen

Neben den klassischen Themen, die uns Menschen bewegen (Wohnen, Medizin, Mobilität) zeigt sich in den Mangelberufen vor allem unsere digitalisierte Welt: Die Einführung von IT-Systemen führt zum Stellenausbau, schließlich muss sie intern auch gepflegt und betreut werden. Das Umstellen von analogem zu digitalem Arbeiten führt außerdem zu komplexeren Jobbeschreibungen und Aufgaben, da einfachere Arbeiten im besten Falle von den neuen Technologien erledigt werden. Das Ringen nach versiertem Personal und IT-Kräften raubt daher so manchen Recruiting Teams den Schlaf. Eine Erhebung für das Jahr 2021 besagt, dass die IT-Fachkräftelücke weiterhin ansteigt: Quer durch alle Branchen blieben 96.000 Stellen unbesetzt, was einen Anstieg von 12% zum Vorjahr bedeutet.

Kombiniert man diese Beobachtung mit der Theorie hinter dem Produktivitätsparadoxon, erscheint es erstmal düster: Wie soll sich die Produktivitätsrate stabilisieren, wenn Arbeitskräfte wegfallen und die neuen Technologien noch dazu unzureichend zur Produktivitätssteigerung beitragen?

Was können wir verändern?

Nun, das Produktivitätsparadoxon ist ein bis heute „nicht erklärbares“ Phänomen und friert daher nicht automatisch das nationale Wachstum ein. Das deutsche Wirtschaftswachstum schreitet trotz allem weiter voran und verzeichnete 2021 einen Anstieg von 2,7% zum Vorjahr. Nichtsdestotrotz ist es wichtig die Beobachtungen ernst zu nehmen und Erklärungen sowie mögliche Ursachen zu finden. Wie geht es also weiter? Um den Produktivitätsentwicklungen entgegenzutreten gibt es definitiv Stellschrauben an denen Politik & Wirtschaft drehen können:

  1. Bildungspolitik: Zeitgemäße Lehrpläne, Bereitstellung von Budgets für die digitale Infrastruktur an Schulen und attraktive Ausbildungsprogramme. Die Politik besitzt mit der Bildungspolitik eine der wichtigsten Säulen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes, um Absolvent:innen hervorzubringen, deren Fähigkeiten auf der Höhe der Zeit liegen.
  2. Lebenslanges Lernen: Unternehmen sollten diesen Aspekt in ihre Philosophie einweben, denn es ist ein Schlüsselfaktor, um dem Takt der fortschreitenden Digitalisierung folgen zu können.  Zudem gewinnen Arbeitgeber mit einem attraktiven Weiterbildungsangebot junge Bewerber:innen für sich, da diese hierauf besonderen Wert legen.
  3. Positives Innovations- und Investitionsklima: Der Standort Deutschland weist einen Rückgang an Investitionen und somit hervorgebrachten Innovationen auf. Dies könnte durch zunehmende staatliche Ausgaben oder verbesserte Abschreibungsbedingungen optimiert werden. In einem positiveren Klima könnte die Bereitschaft zunehmen Neues zu wagen und auszutesten – ein elementarer Baustein in der wirtschaftlichen Weiterentwicklung & im Wachstum einer Nation.
  4. „Better done than perfect“ & offene Kultur: Wir leben in einer Welt, die sich stetig verändert, in der sich digitale und analoge Räume vermischen & wir stetig dazulernen. Wo ist da noch Platz für Perfektionismus, perfekte Prozesse und perfekte Produkte von Tag 1 an? Die „Beta Mentalität“ des Silicon Valley lässt sich mit der klassischen deutschen Arbeitshaltung & konservativen Fehlerkultur erstmal nur schwer vereinbaren. Das Ablegen veralteter Arbeitsmentalitäten und eine offenere (Fehler-) Kommunikation wird uns in Zukunft aber sicherlich weiterbringen.

Take Aways

Am Ende steht fest:

  • Die ausbleibenden Produktivitätsentwicklungen sind nach wie vor ungeklärt und es bleibt spannend, was die Wissenschaft in den nächsten Jahren dazu beobachtet.
  • Auch wenn wir im Privaten von der Digitalisierung merklich profitieren, stehen Unternehmen noch vor großen Hürden, was Implementation & die produktive Umsetzung angeht.
  • Fokus auf stetiges Lernen und eine offene Fehlerkultur: Dies kann Unternehmen, besonders Mittelständlern, helfen die neuen Technologien gewinnbringend zu implementieren.
  • Der Standort Deutschland muss für Fachkräfte attraktiv bleiben, ebenso bedarf es einer gelungene Zuwanderungspolitik, um dem demographischen Wandel entgegenzuwirken.

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Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung/bpb (2017): Demographischer Wandel. https://www.bpb.de/themen/soziale-lage/demografischer-wandel/

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (kein Datum): Den digitalen Wandel gestalten. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/digitalisierung.html 

Pauly, Bastian (2022): IT-Fachkräftelücke wird größer: 96.000 offene Jobs. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/IT-Fachkraefteluecke-wird-groesser#main-content

Roland Berger (2015): Digitale Revolution im Retail Banking. https://www.rolandberger.com/publications/publication_pdf/roland_berger_tab_digitale_revolution_im_retail_banking_d_1.pdf

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